Wüstenstaub treibt Kunden in Waschstraßen

Karlsruhe (BNN) – Saharasand hüllt den Südwesten Deutschlands ein. Das Wetter-Phänomen könnte noch mehrere Tage andauern – und Experten zufolge Autos beschädigen.

Schlange stehen: Bei den Waschanlagen – hier in Vimbuch – herrscht seit Mittwoch Hochbetrieb. Foto: Bernhard Margull/BT

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Schlange stehen: Bei den Waschanlagen – hier in Vimbuch – herrscht seit Mittwoch Hochbetrieb. Foto: Bernhard Margull/BT

Von BNN-Redakteur Daniel Streib

Sorgfältig streicht Thomas Misailidis über den blanken Lack seines geländegängigen Mercedes-Benz. „So ist es gut“, sagt er und lächelt zufrieden. Wie viele andere Autofahrer kam der Karlsruher am Dienstagabend in den sogenannten Blutregen. Er sagt: „Das Ausmaß wurde mir erst bewusst, als ich heute Morgen die Garagentür geöffnet habe. Nichts wie zur Waschanlage, dachte ich.“

Misailidis ist nicht der einzige Autobesitzer, der diese Idee hat. Waschstraßen von der Kurpfalz bis zur Ortenau verzeichnen seit Mittwoch eine deutlich erhöhte Nachfrage. „Es ist gut was los heute“, sagt Lucas Schütz, der im Kassenhäuschen bei „EFA-LEY“ in der Karlsruher Nordstadt sitzt, einem der größten Waschparks in der Region.

Ein Mitarbeiter des „EFA-LEY“-Waschparks in Karlsruhe spült Sand vom Auto eines Kunden. Foto: Daniel Streib/BNN

Ein Mitarbeiter des „EFA-LEY“-Waschparks in Karlsruhe spült Sand vom Auto eines Kunden. Foto: Daniel Streib/BNN

Der 27-Jährige erinnert sich noch gut an das vergangene Jahr, als im Februar 2021 ebenfalls Saharastaub aus der Atmosphäre über der Region gewaschen wurde. „Auch damals haben wir das gleich gemerkt.“ Vor der Einfahrt stauen sich die Fahrzeuge – verziert mit feinem rotbraunen Sand in Regentropfen-Optik.

Aus Sicht von Nico Di Benedetto, dem technischen Leiter des Waschparks, machen die Kunden alles richtig. „Wird der Saharastaub möglichst bald professionell entfernt, nimmt der Lack am wenigsten Schaden“, sagt der Reinigungsexperte und sagt gleich, worauf Autofahrer jetzt achten müssen. „Die Vorwäsche ist das wichtigste. Zuerst muss der Staub mit viel Wasser und wenig Reibung vom Lack entfernt werden.“

Versicherungsmanager: Feiner Sand schadet Lack und Filter

Auch der Kfz-Direktversicherer Verti warnt. Gerade Halter von älteren Fahrzeugen sollten den Staub schnell wegspülen, rät Rainer Starkgraff, Leiter des Provider Managements der Versicherung. Starkgraff: „Durch leichten Steinschlag auf der Motorhaube entstandene Kleinschäden können in Kombination mit dem Saharastaub zum Ärgernis werden.“

Vom Blutregen-Phänomen beschmutzte Autos stehen Schlange vor einer Autowaschanlage: Vor den Autowaschanlagen im Südwesten – hier ein Waschpark in der Karlsruher Nordstadt – war am Mittwoch Geduld gefragt.

Der Himmel ist im Südwesten gelb-bräunlich verfärbt – wie hier am Dienstagnachmittag über Karlsruhe. Foto: Rake Hora/BNN

Der Himmel ist im Südwesten gelb-bräunlich verfärbt – wie hier am Dienstagnachmittag über Karlsruhe. Foto: Rake Hora/BNN

Durch die Beschädigung der oberen Lackschicht könne es zu stumpfen Stellen kommen, die vom Fachmann geprüft werden sollten. Neben dem Lack seien auch die Filter am Auto von dem feinen Sand betroffen: Pollenfilter, aber auch die Filter für die Ansaugluft des Motors seien nicht immer auf hohe Staubkonzentrationen in der Luft ausgelegt.

Grundsätzlich ist der feine Sand nicht gesundheitsschädlich, allerdings stieg die Feinstaubbelastung deutlich an, meldet der Deutsche Wetterdienst (DWD). Die schöne Seite des Phänomens: Der fliegende Sand sorgt für gedeckte Farben am Himmel über Süddeutschland.

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist neben Teilen von Bayern auch ganz Baden-Württemberg davon betroffen. Südwestwinde trugen am Dienstag Wüstensand auch in die Region und tauchten unter anderem Karlsruhe in ein bräunliches oder oranges Licht. Auch am Donnerstag war der Saharastaub noch nicht weggeweht.

Saharastaub ist wichtig für den weltweiten Nährstoffkreislauf

Der Saharastaub kommt, wie der Name schon verrät, tatsächlich aus der Sahara, bestätigt man beim DWD. Hauptsächlich stamme der Staub aus einem Gebiet südlich des Atlasgebirges.

Im Frühjahr und im Sommer tritt der Saharastaub nach Angaben des DWD deutlich häufiger auf als im Herbst und im Winter. „Wir zählen durchaus bis zu 50, 60 meist kleinere Ereignisse pro Jahr über Deutschland. Die meisten davon werden nicht groß bemerkt, teilte der Wetterdienst mit.

Anders ist es, wenn der Saharastaub – wie jetzt geschehen – durch leichte Niederschläge zum „Blutregen“ ausgewaschen wird. Nicht nur auf Autos, auch an Gartenmöbeln und Fensterscheiben wird das Phänomen dann sichtbar.

Bizarre rötliche Muster auf Autos: Das Wetterphänomen hinterlässt seine Spuren. Foto: Christian Flohr/dpa

© dpa

Bizarre rötliche Muster auf Autos: Das Wetterphänomen hinterlässt seine Spuren. Foto: Christian Flohr/dpa

Saharastaub und „Blutregen“ sind übrigens uralte Phänomene, die im weltweiten Nährstoffkreislauf eine wichtige Rolle spielen. Der aufgewirbelte Sand wird beispielsweise mit den Passatwinden von Afrika über den Atlantik bis nach Südamerika transportiert. Dort düngt er den Regenwald, der grundsätzlich eher nährstoffarm ist.

Auch hierzulande sorgen Niederschläge mit Sand aus Afrika für eine Aufwertung der Böden. Autofahrer mögen schimpfen, Agrarwissenschaftler freuen sich: Sand kann hervorragend Wasser und weitere Nährstoffe speichern und sorgt dadurch für besseres Wachstum, wovon auch Spargel und Getreide in der Region profitieren können.

Wie eine Mondlandschaft: In Frankreich bedeckt der Staub den Schnee im Skigebiet Piau-Engaly. Foto: Bastien Arberet/dpa

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Wie eine Mondlandschaft: In Frankreich bedeckt der Staub den Schnee im Skigebiet Piau-Engaly. Foto: Bastien Arberet/dpa

Zum Freitag hin soll die Konzentration des Saharastaubs nach Angaben des DWD deutlich abnehmen. Die Waschanlagen dürften demnach bis zum Wochenende gut frequentiert bleiben. Der Karlsruher Thomas Misailidis will bis dahin kein Risiko mehr eingehen, sagt er und zwinkert. „Das frisch gewaschene Auto kommt jetzt in die Garage. Und ich steige erst einmal aufs Fahrrad um.“

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Erstellt:
17. März 2022, 07:26 Uhr
Lesedauer:
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