Wenn das Eltern-Taxi zur Gefahr wird
Gaggenau (hu) – Eltern-Taxis sorgen vor der Hans-Thoma-Schule immer wieder für gefährliche Situationen. Anwohner schlagen Alarm – und sind skeptisch, ob beschlossene Verbesserungen wirklich nutzen.

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Alltag: Autos stellen den Radweg in der Adenauer-Straße zu. Immerhin ist der Zebrastreifen frei zugänglich. Foto: Marion Philipps
Eigentlich wäre der Schulweg ein Klacks: Aus der Tür, über den Zebrastreifen und – zack – auf den Schulhof. Und trotzdem steht Ines Herrmann jeden Morgen am Fenster und schaut, ob ihre Tochter heil auf der anderen Straßenseite ankommt. Denn statt einfach geradeaus zu laufen, muss sich die Erstklässlerin meist durch Autos hindurchschlängeln, die Radweg und sogar den Zebrastreifen zustellen.
Brenzlige Situationen hat Herrmann dabei schon oft genug beobachtet – glücklicherweise nicht mit der eigenen Tochter. Aber die Sorge steht ihr ins Gesicht geschrieben, als sie von einem besonders gefährlichen Moment berichtet: „Da war ein kleiner Bub. Der war schon auf der Straße, als plötzlich von links ein Auto angerauscht kam.“ Der Junge konnte gerade noch zurückspringen. Passiert ist nichts. Aber Herrmann ist sich sicher: „Der Fahrer hat das Kind gar nicht wahrgenommen, weil überall Autos herumstanden.“
Und das seien nicht etwa Autos von Anwohnern oder Menschen, die mal eben rausspringen, um schnell was zu erledigen. Ganz im Gegenteil: Es sind Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen. „Eltern-Taxi“ wird das Phänomen genannt, das nicht nur in Gaggenau auftaucht. Doch liegt die Hans-Thoma-Schule mitten in der Innenstadt und ist zudem noch die größte Grundschule am Ort – das Problem ist damit besonders groß.
Zu langer Zebrastreifen soll verkürzt werden
Und im Rathaus durchaus bekannt. Deshalb hat das neue Schulwegprojekt auch als erstes die Hans-Thoma-Schule in den Fokus gerückt. Nun sollen die Erkenntnisse daraus endlich in konkrete Veränderungen vor Ort einfließen.
Auf Einladung der SPD-Fraktion steht Bürgermeister Michael Pfeiffer vor dem Zebrastreifen in der Konrad-Adenauer-Straße und schaut auf den gefährlichen Zebrastreifen: „Der ist viel zu lang und muss kürzer werden.“ Über maximal fünfeinhalb Meter sollen sich die weißen Streifen künftig noch ziehen, die Straße müsse so verändert werden, dass der Überblick für die Schulkinder besser wird. Gleiches ist in der Schulstraße geplant. Hier will die Stadt laut Pfeiffer auch Poller aufstellen, um wildes Parken zu verhindern. Und das möglichst noch dieses Jahr, zeigt sich der Bürgermeister optimistisch: „Das ist supergefährlich so, wie es jetzt ist.“
Damit meint Pfeiffer auch die Parksituation an der Musikschule: Hier verläuft der Gehweg zwischen Schulstraße und den entlang der Turnhalle parkenden Autos, die nur rückwärts ausparken können. „Das werden wir verändern“, versichert Pfeiffer. Zudem sind „Hol- und Bringzonen“ für den Schülerverkehr geplant, „in der Art von Kiss-and-Ride-Parkplätzen“ (O-Ton Pfeiffer). Diese sollen in einiger Entfernung zu den Schulen entstehen, damit die Kinder durchaus noch Erfahrungen im dann entschärften Straßenverkehr sammeln können.
Von den Zonen, die einmal in der Nähe des Hinterausgangs von St. Marien (Jahnstraße) und zum anderen in der Bismarckstraße auf Höhe der Carl-Benz-Schule entstehen sollen, werden dann auf den Gehweg gepinselte Füßchen den optimalen Weg zur Schule weisen. Zusätzliche Querungshilfen, eine Erweiterung der Tempo-30-Zone und besser geschnittene Straßenbegrünung sollen den Weg zusätzlich sicherer machen. Die erste Hol- und Bringzone könnte noch 2022 entstehen, hofft Pfeiffer.
Wesentlich früher sollen die Veränderungen an den Zebrastreifen kommen. Möglichst schnell und effektiv – das wäre auch der Wunsch von Ines Herrmann. Blumenkübel wären ihr Vorschlag gewesen: „Ich hätte den Gehweg einfach blockiert.“. Ob die Ideen der Stadt ihrer Tochter helfen werden, künftig sicher über die Straße zu kommen? Herrmann ist skeptisch: „Ich hoffe, das wird nicht so ein Wahnsinnsumbau.“ Übersichtlicher werde die Situation dann nämlich sicher nicht für die Kinder.
Anwohner-Rüffel für Park-Chaoten
Das allmorgendliche Verkehrschaos vor Schulen stellt nicht nur die Kinder vor Herausforderungen. Aber wie damit umgehen?
Das machen die Anwohner: „Natürlich spreche ich die Menschen an, wenn es besonders arg ist“, sagt eine ältere Dame. Sie habe sich daraufhin auch schon übelste Beschimpfungen anhören müssen. Dennoch findet sie es wichtig, das Problem aktiv anzugehen.
Hans-Thoma-Schulleiter Rudolf Retzler hat das Problem ebenfalls im Blick – und scheut sich nicht, besonders dreisten Eltern, die ihr Kind bis auf den Lehrerparkplatz fahren, die Leviten zu lesen.
Das rät die Stadt: „Seien Sie vorsichtig und bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr“, mahnt Bürgermeister Michael Pfeiffer. Er verstehe, dass die Anwohner von der Situation genervt seien.
Leicht könnten solche Ansprachen aber auch außer Kontrolle geraten.
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