Autohaus Karcher in Steinbach: Nach 101 Jahren ist Schluss
Baden-Baden (hez) – Es gibt sogar der dortigen Kreuzung ihren Namen: das Autohaus Karcher in Steinbach. Nun gibt Jürgen Karcher den Familienbetrieb Betrieb am Monatsende auf. Die Tankstelle bleibt.

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Brigitta, Jürgen und Timo Karcher (von links) schließen die Tore des Familienbetriebs: Damit endet ein Kapitel der Steinbacher Wirtschaftsgeschichte. Foto: Henning Zorn
In Steinbach geht eine Ära zu Ende. Rund 101 Jahre nach der Betriebsgründung des Familienunternehmens schließt zum 31. Mai das alteingesessene Autohaus Karcher in der Poststraße, nach dem sogar der dort befindliche, viel befahrene Verkehrsknoten (Karcher-Kreuzung) benannt wurde. Damit müssen sich viele Autofahrer aus dem Rebland und der näheren Umgebung eine neue Werkstatt suchen. Auch der Neu- und Gebrauchtwagenverkauf wird beendet. Die Tankstelle bleibt aber erhalten.
Für zahlreiche Kunden des Steinbacher Autohauses, die erst in den vergangenen Tagen von der Ende Mai bevorstehenden Betriebsschließung erfuhren, war dies eine unerfreuliche Nachricht. „Unsere Kunden reagieren darauf zumeist sehr traurig“, stellt Betriebsinhaber Jürgen Karcher im Gespräch mit dieser Zeitung fest. Man habe eben immer einen sehr guten Kundenkontakt gepflegt, „bei uns konnten die Leute bei anstehenden Reparaturen auch in die Werkstatt kommen und mit dem Mechaniker reden. Es war immer alles sehr familiär“, unterstreicht Jürgen Karcher.
„Riesige Investitionen“ wären nötig
Für ihn gab es mehrere Gründe, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen. Nachdem er selbst in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag feiern kann, will er den sich beschleunigenden Umbruch in der Kraftfahrzeug-Branche nicht mehr länger mitgehen. Elektro-, Hybridfahrzeuge, Assistenzsysteme, Digitalisierung, Direktvertrieb und sonstige Veränderungen – dies sei alles zu viel und verlange „riesige Investitionen“, die ein kleineres Autohaus vor erhebliche Herausforderungen stellten, wenn es die ganze geforderte Bandbreite an Leistungen bieten will.
Darüber hinaus sei es immer schwieriger geworden, Mitarbeiter zu finden und auch zu halten. Wie händeringend Personal in der Kfz-Branche gesucht wird, bekam Karcher in den vergangenen Wochen ganz besonders zu spüren. Denn nachdem die bevorstehende Schließung seines Betriebes bekannt geworden war, stand das Telefon kaum noch still, weil andere Autohäuser Interesse an der Übernahme seiner rund zehn Mitarbeiter zeigten. Inzwischen haben schon fast alle einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Gerne hätte Karcher sein Autohaus mit der Werkstatt an einen Nachfolger übergeben, doch dies sei nicht möglich gewesen. So endet nun ein Kapitel der Steinbacher Wirtschaftsgeschichte.
Das Autohaus Karcher geht auf die Betriebsgründung durch den Großvater des heutigen Eigentümers, Xaver Karcher, zurück. Dieser eröffnete 1921 einen Handel mit Fahrrädern und Nähmaschinen in der Steinbacher Straße. Als die Motorisierung um sich griff, stellte er seinen Verkauf zuerst auf Motorräder und später auch auf Autos und Traktoren um. 1951 übernahmen dann seine Söhne Helmut und Karl Karcher die Firmenleitung. Neben dem Handel mit und der Reparatur von Fahrzeugen bis hin zu landwirtschaftlichen Maschinen verkaufte man nun auch Benzin mithilfe des Einsatzes einer Handpumpe. Der Betrieb wurde auf ein freies Gelände an der Poststraße verlagert, wo man neu baute. Dies blieb bis heute der Firmensitz.
Als die Motorräder nicht mehr so viele Käufer fanden, konzentrierte man sich vermehrt auf den Handel mit Autos – zunächst Opel, später Ford – und Schleppern. Jahrelang betrieb Helmut Karcher auch eine Fahrschule, viele Rebländer erlernten bei ihm den Umgang mit einem Auto. 1987 ging die Betriebsleitung dann über auf Jürgen Karcher, dem Sohn von Helmut Karcher. Der Handel mit Zweirädern und landwirtschaftlichen Maschinen wurde mit der Zeit aufgegeben. Anfang 2007 stoppte man die vertragliche Bindung an Ford und arbeitete dann als freie Werkstatt.
Oldtimer-Sammlung wird weiter gepflegt
Einen Verkauf des Betriebsgeländes nach der Aufgabe von Autohaus und Werkstatt plant Jürgen Karcher nicht. Er will versuchen, einen Teil der Gebäude zu vermieten. Außerdem braucht man auch Platz für eine geplante Vergrößerung des Tankstellenangebots mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge und einer neuen Waschanlage.
Und dann gibt es ja auch noch die Oldtimer-Sammlung von Jürgen Karcher, die er auf jeden Fall weiter „hegen und pflegen“ will. Dazu gehören in erster Linie historische Ford-Modelle vom „Taunus“ bis zum „Capri“. Diese alten Automarken, so erzählt Karcher, hätten noch einen ganz typischen und individuellen Charakter gehabt, während heute doch viele Autos sehr ähnlich aussehen würden. Auch der inzwischen üblichen Vielfalt an Assistenzsystemen kann er nicht viel abgewinnen. So manche Autofahrer könnten diese ohnehin nur beschränkt nutzen. Seine Begeisterung für die automobilen Zeitzeugen würde Jürgen Karcher gerne teilen und denkt darüber nach, seine Oldtimer vielleicht im Rahmen eines kleinen Museums auszustellen.